Im Zeichen strenger rechtlicher Vorgaben
Die Agritechnica gilt als eine der wichtigsten Neuheiten-Plattformen für Landtechnik. Auch wenn sie 2022 nicht stattfinden wird, so zeigt die Arbeit der DLG-Neuheitenkommission und die Auszeichnung von innovativen Produkten mit dem „Agritechnica Innovation Awards“ eine Zwischenbilanz der Innovationskraft der Landtechnikbranche.
Spannende Entwicklungen gibt es zum Beispiel bei Traktoren, die strengen europäischen Vorgaben entsprechen müssen, dabei aber auch in Hinsicht auf Komfort und Effizienz überzeugen müssen, wie Dipl.-Ing. agr., Dipl.-Ing. Wirtsch., Executive MBA Roger J. Stirnimann, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften, Zollikofen, in seinem Fachbericht, festhält.
Dieselmotoren werden laufend weiterentwickelt
Die Traktorentwicklung wird weiterhin stark von der Abgasgesetzgebung geprägt. Ende 2021 laufen die letzten Fristen für sogenannte Übergangsmotoren aus, und die Hersteller dürfen ab 2022 nur noch Traktoren mit Motoren der Abgasstufe Euro V ausliefern. Common-Rail-Einspritzung, Vierventiltechnik, Turbolader, Ladeluftkühlung und elektronische Motorsteuerung stellen weiterhin die motortechnischen Grundpfeiler dar, um die Anforderungen an Leistung, Verbrauch und Emissionen erfüllen zu können. Mit der Abgasstufe V sind ab einer Motorleistung von 56 kW auch die Abgasnachbehandlungssysteme Dieseloxidationskatalysator (DOC), Dieselpartikelfilter (DPF) und Selektive Katalytische Reduktion (SCR) unabdingbar. Die Verwendung der Abgasrückführung (AGR) als innermotorische Technologie zur Verminderung der Stickoxidbildung stellt hingegen weiterhin eine „Philosophiefrage“ dar. Die einen schwören auf die AGR, die anderen lehnen sie eher ab. Bei genauerer Betrachtung der Motorenpaletten fällt aber auf, dass die meisten Hersteller eine „Mischstrategie“ verfolgen. Unterhalb von 56 kW können die Stickoxid-Grenzwerte ohne SCR eingehalten werden, weshalb die Maximalleistungen von Einstiegsmodellen in der Kompaktklasse oft knapp unter dieser Schwelle liegen (z.B. Deutz-Fahr 5080D Keyline oder McCormick X5.085).
Aufgrund des verschärften Grenzwertes für die Partikelmasse (0.015 g/kWh) und der neuen Obergrenze für die Partikelanzahl (1×1012/kWh) führt bei Abgasstufe-V-Motoren kein Weg an geschlossenen DPF-Systemen vorbei (Leistungsklassen 19 bis 560 kW). Einige Hersteller versuchen den Begriff „Partikelfilter“ in ihren Verkaufsunterlagen zu vermeiden und verwenden stattdessen Bezeichnungen wie „Rußkatalysator“. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch hier DPF-Systeme zugrunde liegen. Der Unterschied liegt lediglich bei einer speziellen Beschichtung der Filterwaben, durch welche die passive Regeneration bei Abgastemperaturen ab 250° C begünstigt wird. Die Anzahl an aktiven DPF-Regenerationen durch spätes Nacheinspritzen von Diesel in den Brennraum oder durch direkte Einspritzung in den Abgasstrang kann dadurch vermindert werden. Viele Traktorenhersteller statten ihre Modelle mit einer Boost-Funktion aus. Für die Freischaltung der zusätzlichen Leistung wurden bisher meistens einfache Kriterien wie „Mindestfahrgeschwindigkeit“ und „Mindestleistung an der Zapfwelle“ berücksichtigt. Fendt führte mit Dynamic Performance vor zwei Jahren ein Mehrleistungskonzept ein, bei welchem der Boost in Abhängigkeit des Leistungsbedarfes von Nebenverbrauchern (Lüfter, Lichtmaschine, Klima- und
Druckluftkompressor) variabel zugeschaltet wird. Damit soll an den eigentlichen Arbeitsabtrieben (Räder, Zapfwelle, Hydraulik) immer die gleiche Leistung zur Verfügung stehen. John Deere macht das IPM (Intelligent Power Management) bei der neuen 6R-Baureihe ebenfalls „smarter“ und berücksichtigt jetzt auch die Hydraulikleistung. Das Hydraulic IPM arbeitet aber nicht nach dem Schwarz-Weiss-Prinzip, sondern misst den effektiven Leistungsbedarf an der Hydraulikpumpe und stellt dann exakt diese Leistung zusätzlich zur Verfügung. Zum Tragen kommt dies beispielsweise bei Sämaschinen mit hydraulisch angetriebenen Gebläsen, weil die üblichen Freischaltkriterien hier in der Regel nicht erfüllt werden.
Visco-Lüfter ermöglichen eine bedarfsgerechte, energieeffiziente Motorkühlung und werden bei Traktoren bereits seit Jahrzehnten eingesetzt. Die klassischen Lösungen mit Bimetallfedern, die sich in Abhängigkeit der Kühllufttemperatur verbiegen und das Kupplungsventil betätigen, werden aber zunehmend durch e-Visco-Lüfter abgelöst. Dank elektromagnetisch betätigter Ventile lässt sich über die Motorelektronik steuern, wann und in welcher Menge das Silikonöl vom Vorrats- in den Arbeitsraum fließt, was eine aktive Anpassung der Lüfterdrehzahl erlaubt.
Fendt bietet für die überarbeiteten Baureihen 900 und 1000 neu eine automatische Reinigung für den Luftfilter während der Fahrt an. Über einen Sensor wird der Unterdruck im Ansaugluftsystem gemessen und bei Bedarf ein Reinigungszyklus ausgelöst. Zehn Sekunden vor dem eigentlichen Ausblasen erhöht der hydrostatisch angetriebene Lüfter seine Drehzahl, danach werden über ein elektromagnetisches Pulsventil zwei sehr kurze, aber kräftige Luftstöße im Innern der Luftfilterelemente erzeugt. Der Staub wird dadurch „rückwärts“ aus dem Luftfilter geblasen und gleichzeitig vom Lüfter aus dem Gehäuse abgesaugt. Die hierfür erforderliche Luft kommt aus einem separaten Druckluftbehälter (10 l / 12 bar). Das System funktioniert unter allen Betriebsbedingungen, auch unter Volllast. Bei Bedarf kann die Reinigung auch manuell ausgelöst werden.
Traktormotoren werden zur Verminderung des Wartungsaufwandes zunehmend mit automatischen Systemen für die Ventilspielnachstellung ausgestattet. Weiter nach oben gehen zudem die Motorölwechselintervalle: Der bisherige „Benchmark“ lag bei 750 Betriebsstunden, neu ist er bei 1000. Der Trend zu niedrigeren Nenn- und Leerlaufdrehzahlen hält an.
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